Rechtliches

Dawes Act

Senator Henry Dawes von Massachussetts (1816 - 1903) glaubte fest an die "zivilisierende Wirkung" von Eigentum an Grund und Boden. Seiner  Meinung nach, konnte man nur "zivilisiert" sein, wenn man “zivilisierte  Kleidung trägt, den Boden kultiviert, in einem Haus lebt, einen  Studebaker fährt, die Kinder in die Schule schickt, Whiskey trinkt und  Grund und Boden besitzt”. Er war davon derart überzeugt, dass er  in den 1880ern die Legislative beschwor, die Indianer durch  die Zuweisung von individuellen "Allottements" (zur Nutzung überlassene  Grundstücke) zu "zivilisieren".


Er muss dabei sehr überzeugend gewesen sein, denn am 8. Februar 1887 trat der “General Allottement Act”, auch bekannt als “Dawes Act” in Kraft und abgesehen von den  Cherokee, Cree, Choctaw, Chickasaw, Seminolen, Osage, Miami, Peoria, Sac and Fox im Indianer-Territorium und den Reservationen der Seneca im  Staate New York sowie einem Landstreifen in Nebraska galt dies für alle  Indianer-Nationen.


Wenn der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika nun also der Meinung war, dass entgegen der bisherigen Reservatslandnutzung durch die darauf lebenden Indianer die Nutzung dieses Landes zu landwirtschaftlichen oder weidelandlichen Zwecken vorteilhafter wären, dann konnte er ganz nach Gutdünken dieses Reservatsland aufteilen, die darauf lebenden Indianer mit entsprechenden Werkzeugen ausstatten und in deren Nutzung unterweisen, weil ja angeblich die Landwirtschaft der einzige Weg sei, die Indianer “aus ihrer Misere herauszuführen”. (Dabei erhielt dann ein Familienoberhaupt 160 acre,  eine Einzelperson oder Waise von mehr als 18 Jahren 80 acre und Jungen  unter 18 erhielten 40 acre. Unverheiratete Frauen hatten gar kein Anrecht  auf ein entsprechendes “Allottement”.)


Diese Allottements gaben den  Besitzern allerdings nicht Eigentumsrechte im europäischen Sinne, die  Grundstücke standen weiterhin unter Regierungsverwaltung. Nach 25 Jahren konnten sie zwar in den Besitz des Allottements-begünstigten Indianers  übergehen, jedoch musste dieser Indianer nach Ablauf der 25 Jahre dann  auch die Steuern dafür zahlen. Da dies vielen Indianern unmöglich war,  verloren sie die Eigentumsrechte wieder


Andere Allottements wurden dadurch verloren, dass nach dem Tod des  eigentlichen Allottement-Inhabers das Land unter seinen Erben aufgeteilt wurde. Somit wurden die individual gehaltenen Grundstücke jedoch immer  kleiner und ab Unterschreitung einer gewissen Mindestgröße, fielen auch  diese Grundstücke aus dem "Indianereigentum". Einer solchen  Aufsplitterung konnte man zwar entgehen, wenn sich ALLE Erben einig  waren (und dies auch juristisch hieb und stichfest dokumentierten), dass sie eine solche Aufsplitterung nicht wünschen. (Heutzutage ist es  allerdings oftmals beliebig schwierig, wirklich ALLE Erben und deren  Rechtsnachfolger aufzutreiben, da sie oftmals in alle Winde verstreut  sind, unter den nachfolgenden Generationen keine Kontakte mehr bestehen  und dadurch die Rechtsnachfolger unbekannt sind u.ä.)


Noch andere Allottements gingen für die Stämme dadurch verloren, dass niemand gezwungen war, ein solches Allottement auch anzunehmen. Wer sich dagegen entschied, wurde nämlich nicht nur finanziell sondern auch mit einem “US Citizenship” abgefunden und dies schien für so manch einen am Existenzminimum (oder noch darunter) rumkrebsenden Indianer durchaus verlockend.


Tja, und die  "verlorenen" Allottements konnten dann von anderen Personen - wie z.B. auch  Nicht-indianischen Siedlern, die in Erfüllung des "Manifest Destiny" davon überzeugt waren, dass es  Gottes Wille sei, dass Amerikaner (christlich, europäischer Herkunft)  das Land zwischen Atlantik und Pazifik besitzen - aufgekauft werden, so dass auf  eigentlichem Reservatsland nun Indianer und Nicht-Indianer nebeneinander lebten (sog. checkerboarding), was dann eine ganzheitliche Verwaltung erschwerte  (bis unmöglich machte).


Dadurch wurde  Land, welches ursprünglich gemeinschaftliches Stammesland war  und somit jedem Stammesmitglied eine Heimat geboten hatte, zerteilt, wodurch indianische Gemeinschaften, Traditionen und Kultur  zerstört wurden. Die indianischen Nationen verloren Millionen  Hektar Land, welches sie seit Menschengedenken immer versorgt hatte. allein in den Jahren 1887 - 1934 schrumpfte das stammeseigene Land von 138 Millionen acre  in 1887 auf 48 Millionen acre in 1934.


Somit warf der Dawes Act die  ursprüngliche Anerkennung von Stammessouveränität über den Haufen und  widersprach den eigentlich vertraglich vereinbarten Regierungspflichten Rechte, Land, Zugang und Ressourcen  gemäß den mit den Stämmen geschlossenen Verträgen zu schützen. Er war wohl einer der effektivsten Bausteine der kolonialen und  imperialistischen Strategien gegen indianische Nationen und kombinierte politische, militärische und ökonomische Taktiken, so dass die Macht der amerikanische Regierung gegenüber den indianischen Nationen verstärkt wurde, indem die stärkende Kraft der Gemeinschaft solch indianischer Nationen durch Aufspaltung in individuelle Einheiten aufgebrochen wurde und somit die einzelnen individuellen Einheiten einer Dominierung durch die Regierung nicht  standhalten konnte. 

Wheeler-Howard-Act (Indian Reorganization Act)

Zur Umkehrung der Privatisierung durch den Dawes Act wurde am 18.6.1934 der sog.  Wheeler-Howard Act (oder “Indian Reorganization Act") verabschiedet. Er sollte nicht nur die Souveränität und Selbstverwaltung der Stämme  wieder herstellen und den ständigen Verlust an Reservationsland  aufhalten, sondern auch dafür sorgen, dass die Ausbildung Indianischer Kinder auch wieder deren Werte und Traditionen umfasst (anstatt die Kinder nur auf europäische Werte und Traditionen zu reduzieren).


Zahlreiche Änderungsanträge noch während der Beratung über diese  Gesetzesvorlage im Kongress weichten zwar den eigentlich geplanten Schutz der Indianer stark auf und die Oberaufsicht durch das BIA (Bureau of Indian Affairs) blieb trotz allem bestehen, jedoch stoppte der Indian Reorganization  Act immerhin die Umwandlung von Stammes-Gemeinschafts-Land in  Individualeigentum durch die Vergabe von Allottements, und reduzierte  den ständigen Verlust an Indianerland durch den Verkauf der abgetretenen Allottements an Nicht-Indianer. Innerhalb der ersten 20 Jahre nach  Verabschiedung des Indian Reorganization Acts wurde auf diese Weise  zumindest zwei Millionen acres wieder an die unterschiedlichsten Stämme  zurückgegeben.


Allerdings war dazu auch die Definition notwendig, wer denn nun als Indianer im Sinne dieses Gesetzes galt und wer nicht. Dazu bediente sich der Wheeler-Howard Act der Einführung des sogenannten Blut-Quantums. Jede anerkannte Indianer-Nationen darf in Ausübung Ihrer Souveränität entscheiden, welche Voraussetzungen in Bezug auf die biologische Herkunft eines Menschen erfüllt sein müssen, um als Mitglied dieser Indianer-Nation anerkannt zu werden. So gibt es einige Nationen, die mindestens 50 % Blutanteil, sprich die Tatsache, dass mindestens entweder Vater oder Mutter vollwertiges Stammesmitglied sind, andere erwarten einen Blutanteil von mind. 1/4, wieder anderen reichen 1/8 und noch anderen reichen sogar 1/16, sprich die Tatsache, dass ein Ur-Ur-Grossvater bzw. -mutter eingetragenes Mitglied dieser Nation war. Oder aber es gibt Nationen, bei denen man unabhängig vom tatsächlichen Blutanteil einfach nur einen Vorfahren nachweisen muss, der eingetragenes Mitglied dieser Nation war.


Jedoch werden nur Mitglieder von "federally recognized  tribes", also von der Bundesregierung anerkannten Stämmen, als “Indianer” im Sinne dieses Gesetzes anerkannt und können somit durch diesen Indianerstatus staatliche Förderungen oder eben auch Land zurückerhalten (und auch das nur, wenn der Stamm dieses  Land zunächst käuflich erwirbt, in "trust land" umwandelt und dann ...  unter Berücksichtigung der auch in USA langsam mahlenden  Bürokratiemühlen ... VIELLEICHT.)


Tja, und da diese  Bundesregierung leider immer noch relativ willkürlich entscheiden kann, ob ein Stamm nun als freie und unabhängige Nation anerkannt wird oder  nicht, kann man sich die Begeisterung der Indianer ob dieses Zustandes  wohl lebhaft vorstellen.

Das Adult-Vocational Training Program (Indian Relocation Act)

Nach dem zweiten Weltkrieg veränderte sich die amerikanische Gesellschaft dahingehend, dass immer mehr Leute von den ländlichen Regionen abwanderten und in die Städte zogen, wo es die für sie besseren, sprich höherbezahlten, Jobs gab. Die Indianer auf ihrem Reservatsland, welches bekanntermassen ja nicht gerade zu den fruchtbarsten Gegenden der USA gehört, konnten zwar vielleicht Ackerbau und Viehzucht betreiben, eine “goldene Nase” war damit jedoch nicht zu verdienen. So betrug 1950 das durchschnittliche Einkommen eines Reservatsindianers etwa 950 US-Dollar, das eines Schwarzen etwa 2000 US-Dollar und das eines Weissen sogar etwa 4000 US-Dollar. Die Regierung hoffte nun, diesen Zustand zu verbessern, indem sie das Adult Vocational Training Programm, also das Programm zur beruflichen Weiterbildung, ins Leben rief. Die Indianer, von denen 1940 noch nicht 10 % in Stadten lebten, wurden damit dazu ermutigt, ihre Reservate zu verlassen und sich in ausgewählten größeren Städten, wo man glaubte, es seien mehr als genug Arbeitsplätze vorhanden, niederzulassen, sich  dort beruflich weiterzubilden, um sich somit besser in die amerikanische Gesellschaft integrieren zu können. Die Kosten für den Umzug und die berufliche Weiterbildung sollte von der Regierung übernommen werden.


Das BIA (Bureau of Indian Affaires) eröffnete sog. “Relocation Offices” in Chicago, Denver, Los Angeles, San Francisco, Salt Lake City, St. Louis, Cincinatti, Cleveland und Dallas, wo Angestelte des BIA die Neuankömmlinge bei deren Orientierung unterstützen und ihnen bei finanziellen und beruflichen Weiterbildungsdingen helfen sollten. Andere BIA-Angestellte rekrutierten auf den unterschiedlichsten Reservaten quer über den ganzen Kontinent verstreut zukünftige “Relocatees”, also Indianer, die an diesem “Weiterbildungsprogramm” teilnehmen sollten Offiziell alles auf rein freiwilliger Basis natürlich, in der Realität jedoch auch oft entweder unter massivem Druck oder aber mangels besserer Alternativen. So berichtet z.B. ein Kiowa davon, dass er eigentlich den ganzen Tag nur mit Freunden abhing und dabei auch schon mal mit dem Gesetz in Konflikt kam. Also bot man ihm bei seiner nächsten Verhaftung (wegen eines Kleindeliktes) an, anstatt die Strafe abzusitzen, doch eben an diesem Weiterbildungsprogramm teilzunehmen. ... er wählte die zweite Alternative.


Allein in der ersten fünf Jahren wurden so 30000 Indianer rekrutiert und man schätzt, dass noch weitere 30000, diesmal jedoch tatsächlich freiwillig, in die Städte abwanderten, um endlich der Armut auf den Reservaten zu entfliehen. Schließlich wurde versprochen, man würde die Neuankömmlinge in den Städten unterstützen, ihnen vorübergehend Unterkunft und auch Hilfestellung bei der Arbeitsplatzsuche und der Findung eines passenden sozialen Umfeldes geben. Zusätzlich bekam solch ein Relocatee einen gewissen Geldbetrag, um ihm die Übergangszeit zu erleichtern. Für ein Ehepaar mit 4 Kindern betrug dies z.B. 80 US-Dollar pro Woche und wurde üppige 4 Wochen lang gezahlt.


Jedoch klang dies - wie so oft bei solchen um das Wohlergehen der Indianer bemühten Regierungsprogrammen - oftmals nur auf dem Papier gut. Die umgesiedelten Indianer fanden trotz allem entweder gar keine oder wenn, dann nur sehr gering bezahlte Arbeitsstellen und das soziale Umfeld nahm sie auch nicht wirklich mit offenen Armen auf. So bekamen viele Heimweh und gingen entweder zurück in ihre Reservate oder verfielen schlicht und ergreifend wieder der Depression und dem Alkohol.


Aber trotz allem überwiegte wohl oftmals die Hoffnung, so dass 1980 sogar 750000 Indianer, also 53% der gesamten indianischen Bevölkerung zu dieser Zeit, in Städten lebten. Nicht unbedingt nur die Städte, die für das Weiterbildungsprogramm vorgesehen waren, aber eben in Städten und nicht mehr unbedingt auf Reservatsland, weil sie sich hier nunmal eine bessere Zukunft erhofften.

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