Indianer

Wenn man so darüber nachdenkt, wie Indianer meistens in Büchern oder Filmen dargestellt werden, ergibt sich fast zwangsläufig die Frage, ob das nicht bloß Klischees und Vorurteile sind, die herzlich wenig mit der Realität zu tun haben. Oftmals ist es schwierig zu erkennen, was richtig und was falsch ist, spricht man jedoch mal mit den Indianern, fällt auf, dass sie über viele Dinge ganz anders denken, als es durch Bücher oft suggeriert wird.

Woher kommt eigentlich der Name Indianer?

Klar, das geht auf Christoph Columbus und seine Schiffsreise Richtung Westen im Jahre 1492 zurück. Aber hat er wirklich geglaubt, in Indien gelandet zu sein? Hat er somit wirklich die dort lebenden Menschen aus Versehen so bezeichnet, dass wir sie heute Indianer nennen? Oder war er sich vielmehr sehr wohl bewusst, dass das erreichte Land nicht Indien sondern irgend etwas anderes war?. Hat er dann mit der Bezeichnung „gente in dios“, aus der sich später das Wort Indianer entwickelt hat, bewusst bisher unentdeckte Menschen benannt und dabei seine Empfindungen gegenüber diesen Menschen einfließen lassen?


Zur Zeit ist diese Frage durchaus umstritten. Als Columbus Geldgeber für seine Reise suchte, gab er an, dass er in einer bestimmten Entfernung in westlicher Richtung Land zu finden erwarte. In seinem Logbuch zu der Reise von 1492 ist erwähnt, dass er sich mit den Kapitänen der insgesamt drei zusammen reisenden Schiffe unter Zuhilfenahme einer Karte beraten hat, nachdem sie einige Vögel gesichtet hatten. Sie wechselten den Kurs und fanden nach 8 Tagen Land. Und das hatte etwa die bereits vor der Reise vermutete Entfernung zur Iberischen Halbinsel. Deshalb gehen einige Historiker davon aus, dass Columbus davon überzeugt war, genau den angestrebten Weg nach Indien gefunden zu haben. Allerdings ist heute ebenfalls umstritten, was eine Columbus vorliegende Karte wohl enthalten haben mag. Es gab zu dieser Zeit Karten die Indien zeigten, dort wurde allerdings eher die Bezeichnung Hindustan verwendet und die Bewohner nannte man Hindus. Warum sollte Columbus dann einen anderen Namen verwenden?


In Spanien gab es zu dieser Zeit hauptsächlich katholische Monarchen. Wenn diese Columbus Auftraggeber für die Reise waren, warum gab es dann keinen katholischen Priester auf auch nur einem der drei Schiffe? Da die katholischen Monarchen bestrebt waren, alle Einwohner Spaniens zum Katholizismus zu „bekehren“, gab es grosse Unruhen, die im Endeffekt zur Inquisition und der Flucht vieler Nicht-Katholiken führte. Columbus selbst hat sich nie über seine Religionszugehörigkeit geäussert oder zumindest ist dies nicht bekannt. Manche Historiker glauben allerdings, dass er eben zu den Nicht-Katholiken gehörte und damit auf der Suche nach Land war, wo man fernab der Inquisition und dem mit ihr einhergehenden Terror leben konnte. In dem Zusammenhang ist es dann auch nicht verwunderlich, dass Columbus sehr beeindruckt von der Güte, dem Anmut, der Freundlichkeit und der Großzügigkeit der Bewohner des neu entdeckten Landes war und er mit „gente in dios“ (Menschen in Gott) genau diesen Eigenschaften Ausdruck verleihen wollte und sie nicht wirklich für Inder hielt.


Was auch immer Columbus wirklich gemeint haben mag, wird wohl eher ungeklärt bleiben. Für heutige Indianer macht es allerdings einen grossen Unterschied, ob ihr Name ein Versehen oder der Ausdruck von Respekt und Hochachtung ist.

 

Woher kommen die Indianer?

In den meisten Büchern findet man die Aussage, dass der amerikanische Kontinent zunächst unbewohnt war und dann Menschen über die Beringstrasse kommend diesen Kontinent nach und nach besiedelt haben. Die mündlich überlieferten Geschichten einiger Indianerstämme sagen allerdings etwas anderes. So gehen z.B. die Apachen davon aus, dass sie in der Region des heutigen New Mexicos erschaffen wurden und von dort aus nach Norden gezogen sind (siehe dazu auch hier). Heutzutage ist das allerdings beliebig schwierig nachzuweisen. Kann man von einigen vor mehreren Jahrhunderten lebenden Indianerstämmen noch alte Ruinen, nachweislich ehemals bewohnte Höhlen oder Überreste von Gebrauchsgegenständen wie z.B. Töpferware o.ä. finden, so lebten die Apachen immer nach dem Motto, möglichst keine Spuren in der Umwelt zu hinterlassen. Deshalb lebten sie immer nur in relativ kleinen Gruppen und waren stets bemüht, das natürliche Gleichgewicht der Tier- und Pflanzenwelt unverändert zu erhalten. Somit sind dann allerdings auch keine archäologisch aussagekräftigen Funde anzutreffen, die die jahrhundertelange Existenz der Apachen in diesem Gebiet belegen könnten.


Manch einer mag da denken „na und, was würde das denn ändern?“ Für die Apachen würde sich dadurch eine Menge ändern. Dann könnten sie nämlich Landrecht in Anspruch und Einfluss auf die weitere Entwicklung des Landes nehmen. Da dies aber für die Regierung politische und vor allem finanzielle Konsequenzen mit sich führen würde, werden den Indianern Nachforschungen in diese Richtung nicht gerade erleichtert.


Sind Indianer gefährliche Wilde?
Nein, sind sie natürlich nicht oder zumindest nicht mehr als andere Menschen, egal welcher Nation auch immer sie angehören mögen. Ja, es hat Auseinandersetzungen gegeben und da ist man auch nicht gerade zimperlich mit der Gegenseite umgegangen. Aber ehrlich, waren die „Nicht-Indianer“ da wirklich anders? Was würden wir denn tun, wenn jemand einfach sein Zelt bei uns im Garten aufbaut? Zunächst würden wir ihn mehr oder weniger höflich auffordern zu gehen, sollte er sich allerdings weigern, würden wir auch alle uns zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausschöpfen, den Eindringling wieder los zu werden. Wenn Indianer aber jemanden von ihrem Land vertreiben wollen, fehlt dafür das Verständnis. Bloß weil sie keinen Zaun um das Land gemacht haben, ist es aber trotzdem nicht automatisch frei verfügbar. Und sonderlichen Spaß hatten Indianer an solch kriegerischen Auseinandersetzungen wohl auch kaum. Schließlich wollen auch sie nur - wie jeder andere auch - in Frieden so leben und ihre Kinder großziehen, wie sie es für richtig halten. Und das ist gerade bei Indianern geprägt von Harmonie und Einklang mit ihrer Umwelt. Deshalb sind auch so viele der traditionellen Zeremonien darauf ausgerichtet, sowohl das innere Gleichgewicht als auch das Gleichgewicht zwischen Mensch und Umwelt herzustellen bzw. zu erhalten. Und mit zu den höchsten Werten gehören Hilfsbereitschaft und Respekt gegenüber allen Kreaturen.


Sicherlich, auch vor der Ankunft europäischer Einwanderer hat es immer wieder kriegerische Auseinandersetzungen zwischen den unterschiedlichen Stämmen gegeben und nicht selten gingen auch diese Auseinandersetzungen um Land- und damit verbunden auch Jagdrechte. Aber solche Auseinandersetzungen hatten nie das Ziel, die Gegenseite völlig auszurotten. Selbstverständlich hat es dabei auch immer wieder Tote gegeben, das waren dann jedoch einzelne Menschen und nicht ganze Völker.

Des öfteren findet man die Aussage, Indianer kämpften wie wilde Tiere und müssten deshalb ausgerottet werden. In gewisser Weise stimmt das sogar, allerdings nicht so, wie diese Aussage ursprünglich gemeint war. Für Tiere gibt es zwei Gründe zum Kampf. Das ist zum einen Hunger. Dabei wird aber auch nur soviel genommen, wie zum Stillen des Hungers benötigt wird. Selbst Raubtiere wie Wölfe, Bären oder Löwen sind relativ ungefährlich, solange sie satt sind. Es sei denn, sie fühlen sich bedroht. Und damit wären wir bei dem zweiten Grund für einen Kampf. Fühlt ein Tier sich selbst oder seine Familie bedroht, wird es sich selbstverständlich mit allen Kräften zur Wehr setzen. Ein Tier verteidigt dabei aber nur sein Revier. Und sobald einer der Kämpfer sich unterlegen fühlt und zurückzieht, ist damit auch für den Sieger der Kampf beendet. Der Sieger setzt grundsätzlich keinem sich zurückziehenden Gegner noch einmal nach, nur um diesen dann zu vernichten. Und genau so sind auch große Vernichtungsschläge mit dem Ziel, den Gegner komplett auszurotten, völlig außerhalb indianischer Vorstellungskraft. Wenn Indianer das Gefühl haben, dem Gegner genügend große Verluste zugefügt zu haben, so dass dieser akzeptiert, unterlegen zu sein, ziehen sie sich zurück. In ihren Augen ist es nämlich eine Sache von Respekt (selbst Feinden gegenüber), jemanden, der bereits am Boden liegt nicht auch noch zu treten. Ein Kampf ist dazu da, wieder das Gleichgewicht herzustellen, welches vorher durch das Auftauchen eines Eindringlings gestört wurde. Zieht dieser sich zurück, braucht er auch nicht ausgerottet zu werden.

Vielleicht sollte man auch mal darüber nachdenken, dass die ersten europäischen Einwanderer, die zunächst im Osten der heutigen USA siedelten, anfangs sogar sehr freundlich aufgenommen wurden und ohne die Hilfe der Indianer den ersten Winter gar nicht überlebt hätten (siehe dazu auch hier). Und auch später haben Indianer und europäische Einwanderer immer wieder auch sehr friedlich miteinander gelebt. So gab es häufig rege und und überaus vertrauensvolle Handelsbeziehungen. Wer die Indianer mit Respekt behandelte, wurde auch von ihnen ebenfalls mit Respekt behandelt. Und da war es nicht selten, das Indianer und europäische Einwanderer ganz freiwillig miteinander lebten und Familien gründeten. Wie es in den Wald reinruft, so schallt es halt auch wieder heraus! Zeitungsberichte hierüber verkaufen sich allerdings bei weitem nicht so gut wie die zur Heldentat stilisierten Greueltaten an den ja ach so verwerflichen, unzivilisierten Wilden. Und somit war die Berichterstattung leider meistens eher einseitig.


Unbestritten hat es immer wieder Kämpfe und wahre Schlachten gegeben. Aber, wie ein Mann namens Oliver Enjady (Mescalero Apache) mal sagte: “What happened back then happened because they were humans. It was done to them so they did it back.” (Ein bisschen frei übersetzt: Was damals geschah, geschah weil es alles nur Menschen waren. Sie wurden so behandelt also haben sie es nur mit gleicher Münze zurückgezahlt). - Und lächelnd fügte er dann an: “But better!” (Aber besser!)

Der „typische Indianer“ - Fiktion und Wirklichkeit
Um eins gleich vorne weg zu schicken: den typischen Indianer gibt es natürlich nicht. In unserem Sprachgebrauch ist es üblich, alle Einwohner Amerikas, die vor der Ankunft von Christoph Columbus bereits dort lebten, und ihre Nachkommen als Indianer zu bezeichnen. Dabei wird aber völlig außer Acht gelassen, dass es zwischen den einzelnen Indianerstämmen sehr große Unterschiede gibt. Die Vorstellung vieler Europäer ist vor allem durch Erzählungen über Indianer in den großen Ebenen des mittleren Westens Nordamerikas geprägt. Dadurch ergeben sich dann aber leider oftmals falsche Erwartungen. Schon allein durch die räumliche Ausdehnung des Kontinents ergeben sich unterschiedliche Lebensumstände, die sich dann selbstverständlich auch in der Kultur der Einwohner widerspiegeln. Aber selbst bei gleichem Lebensraum zeigen sich deutliche kulturelle Unterschiede. So gibt es z.B. im heutigen New Mexico gleich drei kulturell verschiedene Völkergruppen, die Pueblos, Navajos und Apachen, die sich dann noch in verschiedene Untergruppen unterteilen. Heutzutage leben sie zwar größtenteils genau so wie jeder andere Einwohner Amerikas, traditionell waren die Pueblos aber sesshaft, lebten in mehrstöckigen, zu ganzen Dörfern zusammen gesetzten Lehmbauten (den so genannten Pueblos) und betrieben Ackerbau und Viehzucht, wogegen die Navajos eher zu den Halbnomaden gehörten. Sie betrieben zwar auch Ackerbau und Viehzucht, zogen aber in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen immer mal wieder an einen anderen Wohnort, wo sie vorwiegend achteckige Hütten aus Baumstämmen mit Lehmabdichtung (so genannte Hogans) errichteten. Und Apachen zogen als Nomaden in den Wintermonaten in den Süden bis in die Wüste und in den Sommermonaten nordwärts in die Berge und Wälder um den Gila River. Sie errichteten Grashütten (so genannte Wickiups), die leicht zu errichten und auch kurzfristig wieder abzubauen waren und lebten als Jäger und Sammler. Bildeten die Pueblos durchaus größere Dörfer mit teilweise mehreren hundert Einwohnern, lebten die Apachen vorzugsweise in sehr kleinen Gruppen.

Und je größer das betrachtete Gebiet ist, desto größer sind auch die kulturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Indianerstämmen. Die wenigsten entsprechen dabei dem Bild des im Tipi lebenden, mal Tomahawk mal Friedenspfeife schwingenden unzivilisierten Wilden, das uns so oft in Büchern oder Filmen suggeriert wird. Genauso wenig entsprechen sie aber auch dem Bild des immer edelmütigen und friedensliebenden Winnetou aus den Büchern Karl Mays. Bedenkt man, dass Karl May das Land nicht selbst bereist hat (zumindest nicht bevor er die meisten seiner Reiseerzählungen geschrieben hatte), so war seine Recherchearbeit vor allem bezüglich der Landschaftsbeschreibungen bemerkenswert. Aber bezüglich der indianischen Kultur hat er nun mal einige Dinge durcheinander gebracht. Apachen haben nie in Pueblos gelebt und einen Mann wie Winnetou, der sowohl unter den Indianern als auch unter den Einwohnern europäischen Ursprungs einen guten Ruf hatte und für seinen Edelmut und seine Friedensliebe berühmt war, hat es unter ihnen auch nicht gegeben. In Wahrheit waren gerade die Apachen für ihre hartnäckige Kriegsführung bekannt und gefürchtet. Noch heute zeugen Landschaftsbenennungen wie „Diablo Range“, Hells Hole“ u.ä. für - objektiv betrachtet - geradezu idyllische Gegenden davon, wie unangenehm den weißen Namensgebern allein das Wissen um die mögliche Anwesenheit der Apachen gewesen ist. Und das lag nicht zuletzt daran, dass Weiße und Apachen mit der Kultur des anderen nun mal herzlich wenig anfangen konnten. Es hat durchaus Indianer gegeben, die sowohl bei den Indianern als auch bei den europäischen Einwanderern hohes Ansehen genossen - einer von ihnen war z.B. Ende des 18. Jahrhunderts ein Cayuga namens Talgayeetah (näheres dazu
hier) - aber das waren eben keine Apachen.


Woher kommen denn dann diese ganzen Vorurteile und falschen Erwartungen?
Im 18. Jahrhundert kamen immer mehr europäische Einwanderer der unterschiedlichsten Nationen in das heutige Amerika. Vor allem Engländer und Franzosen standen zunehmend in scharfer Konkurrenz zueinander. Jeder von ihnen erhoffte sich möglichst weitreichende Handelsbeziehungen mit den Indianern. Während sich die Franzosen jedoch auch immer wieder sehr um Integration in indianische Lebensweisen und einen durchaus fairen Handel bemühten, waren die Engländer vor allem auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Da die Waren der Franzosen aber oftmals von minderer Qualität als die der Engländer waren, standen auch die verschiedenen Indianerstämme immer wieder im Wettbewerb um die englischen Waren.

Wurde im 17. Jahrhundert die Bedrohung der indianischen Lebensweise durch europäische Einwanderer noch oftmals unterschätzt, so war den Indianern im 18. Jahrhundert durchaus klar, dass ein grundsätzlich friedliches Miteinander von Indianern und Einwanderern europäischer Herkunft doch eher unwahrscheinlich war. Klar, gab es immer wieder Einzelschicksale, wo das Miteinander ganz vorzüglich funktionierte, aber die Lebensart der Indianer und die der Europäer war doch so unterschiedlich, dass sie nicht grundsätzlich einhellig nebeneinander existieren konnten. Manche Stämme zogen es deshalb vor, noch vor Ankunft der europäischen Einwanderer weiter nach Westen zu ziehen und es gar nicht erst zu einer Konfrontation kommen zu lassen. Andere hingegen wollten sich nicht aus ihrer angestammten Heimat vertreiben lassen und leisteten den herannahenden Einwanderern mal mehr mal weniger erbitterten Widerstand.

Aber auch die Indianer untereinander hatten so ihre Auseinandersetzungen. Manche wurden direkt untereinander ausgetragen, manchmal holte man sich z.B. Hilfe bei den überaus kampferprobten Shawnees (siehe dazu auch
hier). Etwa um 1700 herum standen die Oneida, Onondonga, Mohawk, Seneca und Cayuga ziemlich unter Druck und schlossen sich zu der sogenannten “Southern Confederacy”, die später auch als “Iroqois League” bzw. “Irokesen” bekannt wurde, zusammen, um sich besser gegen die sie umgebenden indianischen Stämme aber auch gegen die europäischen Einwanderer behaupten zu können. Diese Irokesen fühlten sich zusammen so stark, dass sie sogar die ihnen kämpferisch weit überlegenen Shawnees aufforderten, die Gegend zu verlassen. Die Shawnees taten das zwar, aber nicht aus Angst vor den Irokesen, sondern weil sie sowieso nie sonderlich lange an einem Ort lebten und es für sie durchaus mal wieder Zeit für einen Ortswechsel war. Sie zogen in das Gebiet der Delawaren und Susquehannock und hielten oberflächlich betrachtet auch Frieden mit den Engländern. Dieser Frieden passte den Irokesen allerdings überhaupt nicht, so dass sie den Engländern gegenüber erklärten, dass sowohl die Shawnees als auch alle anderen indianischen Stämme grundsätzlich Angelegenheit der Irokesen seien und dass bei Verträgen zwischen Engländern und Indianern einzig und allein die Irokesen zu bestimmen hätten. Und da die Engländer sich nicht sonderlich für indianische Lebensweisen interessierten, kam es ihnen durchaus recht, sich nicht mit all den unterschiedlichen Nationen auseinandersetzen zu müssen, sondern sich einzig und allein an die Irokesen zu halten. Somit gab es für die Engländer auch nur sich selbst auf der einen und die Gesamtheit der Indianer ohne Ansehen der verschiedenen Nationen auf der anderen Seite, wodurch sich das Vorurteil “Alle Indianer sind gleich” durchaus nachvollziehen lässt.

Die Irokesen selbst konnten zwar kämpferisch den Shawnees nicht das Wasser reichen. Nachdem sie jedoch zu einer Zeit, als diese gerade in anderen Gebieten weilten, die ihnen zahlenmässig weit überlegenen Huronen angegriffen und über viele Jahre in ständige Kämpfe verstrickt hatten (wobei sie vornehmlich kleinere Gruppen angriffen und nach Möglichkeit komplett auslöschten - ungeachtet ob Frauen, Kinder oder alte Menschen dabei waren), steigerte sich ihr Ruf als furchterregende Streitmacht und brutale Mörder durchaus soweit, dass einige Stämme lieber schon bei der Nachricht “die Irokesen kommen” ihre Dörfer verliessen (siehe dazu auch
hier). Und die Irokesen gefielen sich auch noch in dieser Rolle. Deshalb ist es auch nicht verwunderlich, dass sich haufenweise Geschichten über indianische Greueltaten verbreiteten. (Zugegeben, diese Greueltaten wurden nicht NUR von Irokesen begangen, die anderen Stämme haben sich durchaus gewehrt und waren dabei auch nicht gerade zimperlich. Ebenso haben sie nicht nur gegen die Irokesen sondern auch gegen deren “Verbündete”, die europäischen Einwanderer, gekämpft. Aber umgekehrt waren die europäischen Einwanderer genauso wenig zimperlich mit ihren Gegnern und hatten zudem auch noch meist die besseren Waffen.)

“Indianer sind unzuverlässig, lügen und betrügen” ist auch so ein viel zitiertes Vorurteil. Ja natürlich, wenn die Irokesen lustig Ländereien an die Engländer verkaufen, die ihnen gar nicht gehören, dann haben die rechtmäßigen Besitzer natürlich nicht unbedingt Lust, sich an die “Verträge” zu halten. Und als den Engländern klar wurde, dass die Irokesen ihnen das Blaue vom Himmel erzählt haben, hat das ihr Vertrauen in die Ehrlichkeit von Indianern bestimmt auch nicht gerade bestärkt.

Natürlich kann man nicht alle Schuld nur den Irokesen zuweisen. Sie waren unbestritten große Meister darin, andere gegeneinander auszuspielen und sich selber Vorteile zu verschaffen. Aber sie haben das vor allem getan, um sich selbst und ihre Familien zu schützen. So lange die europäischen Einwanderer mit anderen Indianerstämmen um deren Ländereien kämpften, waren die Ländereien und damit die Familien der Irokesen vor ihnen sicher.

Was immer man über Indianer und die damaligen Zeiten liest - es gibt nicht nur schwarz oder weiss, gut oder böse, richtig oder falsch. Die WAHRE Geschichte liegt in den Zwischentönen!

Und warum ist das Indianerbild hierzulande dann so von den Stämmen der großen Plains mit ihren Pferden, Tipis und langen Friedenspfeiffen bestimmt? Irokesen waren Waldindianer und lebten in Langhausdörfern. Sie können also kaum dieses Indianerbild geprägt haben. Nein, dieses Indianerbild haben vor allen Dingen Kino und Fernsehen geprägt, welche leider recht wenig Wert auf Authentizität legten.

Hier zählte nur, was beim Publikum ankam. Und mehr oder weniger sesshafte Waldindianer in Langhausdörfern sind da eher langweilig. Große Tipidörfer mit wilden Indianern auf Pferden klingen da schon deutlich mehr nach Freiheit und Abenteuer. Da kann man zum einen den Wunsch nach “Lagerfeuerromantik” aber ebenso auch den Wunsch nach Abenteuer und “Action” bedienen.

Bereits zu Stummfilmzeiten waren Geschichten über den “Wilden Westen” der Renner. Zu Anfang spielten auch noch viele echte Indianer in diesen Filmen die Indianerrollen. Sie führten teilweise sogar Regie, so dass damals auch durchaus indianische Sichtweise Einzug in die Kinowelt fand und die Indianer nicht grundsätzlich die Bösen waren. Später allerdings wurden auch die Indianerrollen von Nicht-Indianern übernommen. Die wenigsten dieser Schauspieler hatten jedoch lange schwarze Haare und brauchten deshalb Perücken, welche beim Reiten und Kämpfen meist nicht besonders gut hielten. Also wurde kurzerhand das Stirnband erfunden, was heutzutage ja schon fast das wichtigste “Erkennungszeichen” für einen Indianer ist. Schade nur, dass nur bei sehr wenigen Indianerstämmen jemals wirklich Stirnbänder zu etwas anderem als die Haare bei der Jagd oder im Kampf aus dem Gesicht zu halten getragen wurden. Und dann waren sie vor allem Mittel zum Zweck und nicht gerade perlenverziert.

Wohl ebenso berühmt wie das Stirnband ist auch der grosse Federschmuck. Sicherlich hat es den gegeben (und gibt es auch heute noch). Er ist auch durchaus auf vielen zeitgenössischen Bildern zu sehen. Aber das heisst nicht automatisch, dass Indianer solch einen Federschmuck ständig getragen haben. Für Fotos musste man damals noch lange absolut still sitzen. Deshalb gab es auch grundsätzlich keine “Schnappschüsse”. Wer fotografiert wurde, wusste das und hat sich im Normalfall dafür extra schick gemacht. Und bei einigen Indianerstämmen gilt durchaus: je größer der Federschuck, desto höher die gesellschaftliche Stellung seines Trägers. Wer also einen solch großen Federschmuck besaß, hat ihn für gestellte Fotos auch gerne angezogen. Und für die Filmindustrie macht so ein Federschmuck natürlich erst recht was her. Besonders wenn gleich eine ganze Horde Federschmuck tragender Indianer über die Prärie reitet.

Überhaupt werden Indianer meist als fabelhafte Reiter dargestellt, die grundsätzlich eins sind mit ihrem Pferd. Dabei gab es viele Nationen, die mit Pferden nicht allzu viel anfangen konnten. Gerade in sehr zerklüfteten Regionen oder dichten Wäldern sind Pferde eher ungeeignet. Der Vorteil eines Pferdes ist seine Schnelligkeit und Wendigkeit. In zerklüftetem Gelände bzw. dichtem Wald ist dies aber nur schwer umzusetzen, so dass Indianer in solchen Gebieten zwar durchaus auch Pferde besaßen, sie nutzten sie aber hauptsächlich zu Transportzwecken oder als Lasttiere und waren bei weitem nicht “geborene Reitervölker”. Sicherlich gab und gibt es auch heute noch sehr gute Reiter unter den Indianern. Die Crow aus dem heutigen Montana z.B. sind auch heute noch dafür bekannt, quasi auf dem Rücken der Pferde geboren zu sein, aber es gab eben auch viele andere Nationen, die sicherlich auch exzellente Reiter hervorgebracht haben, als ganze Nation aber wohl eher nicht als “Reitervolk” zu bezeichnen sind. Aber für die Filmindustrie passte halt besser das romantisch verklärte Bild des Indianers der mit seinem Pferd eine untrennbare Einheit bildet. Das war, was die Zuschauer sehen wollten, was an den Kinokassen das Geld brachte.

Ausserdem scheinen irgendwie alle Indianer immer in den Wüstenregionen im Südwesten der USA zu leben. Für die Filmindustrie sind diese Drehorte bestens geeignet, da man dort genügend Platz hat, gleich ganz viele wilde Indianer eine einzelne Postkutsche oder einen Siedler-Treck verfolgen zu lassen, jedoch spiegelt dies - wenn überhaupt - dann nur einen kleinen Teil dessen wieder, wie sich das Leben zu Zeiten des “Wilden Westens” tatsächlich abgespielt hat. Aber in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts hatte sich das Bild des Indianers gewandelt. Die Welt wollte Helden sehen und was eignet sich da besser, als ein einsamer Held, der es in solch völliger Einöde mit einer ganzen Horde wilder und brutaler Indianer aufnimmt (und selbstverständlich am Ende auch gewinnt)?

Was lag da näher, als all die alten Vorurteile über die dummen, verlogenen aber wild und blutrünstigen Indianer wieder auszugraben, damit der (selbstverständlich weisse) Held nur in noch besserem Licht dastand? Da machte es dann auch nichts aus, dass genau dieser Held immer wieder sehr brutal und menschenverachtend gegen die grundsätzlich bösen Indianer vorging. Schliesslich stellten sich diese ja nur dem Fortschritt in den Weg und mussten deshalb unbedingt aus eben diesem Weg geräumt werden. Ganz so, wie es schon viele Jahre vorher, noch zu Zeiten der echten Indianerkriege, mal geheissen hatte “Every Indian is a bad Indian. Only a dead Indian is a good Indian.” (Jeder Indianer ist ein schlechter Indianer. Nur ein toter Indianer ist ein guter Indianer). Und die Zuschauer hatten ihren Helden, der “die Menschheit” rettet und mit dem sie sich identifizieren und stark fühlen konnten.


Glücklicherweise änderte sich das Bild der Indianer in den 60er und 70er Jahren abermals. Angefangen mit der Hippie-Bewegung, die in den Indianern bewundernswerte Freigeister sahen, und einer Filmindustrie, die mit und mit die Indianer nicht nur als ausrottungswürdige Wilde und skrupellose Weisse als grosse Helden darstellte, wuchs auch das Selbstbewusstsein der Indianer wieder. Heutzutage gibt es auch wieder indianische Filmemacher und indianische Schauspieler, die immer wieder versuchen, nicht nur die Geschichten über Indianer auch aus Sicht der Indianer zu erzählen. Vor allem versuchen sie, der Welt zu zeigen, dass Indianer nicht nur gut oder böse sondern komplexe menschliche Wesen sind.

Aber wie waren die Indianer denn dann wirklich?

Dazu mehr hier.

 

 

 

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